Freitag, 9. September 2016

Großprojekt


Eine Eignerweisheit  besagt, dass man die allermeisten Bestandteile eines Segelboot im Laufe von zehn Jahren einmal erneuern darf. Alita ist nun gute 12 Jahre alt und nach jedem jährlichen Werftaufenthalt fühlt es sich wieder so an, als wären wir langsam durch, hätten jedes Teil mindestens einmal ausgewechselt bzw. restauriert. Kaum ist man auf See belehrt dich das Boot eines Besseren.
Letztes Jahr hatte die gesamte Technik und Ausrüstung überraschend gut mitgespielt. Es gab keine nennenswerten Probleme oder Schäden. Dafür blühten zunehmend viele Stellen im Lack, schlugen Blasen oder blätterten einfach ab. Korrosion!

Das kann schon mal vorkommen, auch bei "gesundem" Aluminium in der Nähe von Edelstahlschrauben und überall wo der Lack verletzt ist und Feuchtigkeit eindringt. Aber bei uns passierte es an zunehmend vielen Stellen ohne ersichtlichen Grund. Ein Alarmzeichen.
Elektrische Probleme kann ich ausschließen, da ich selbst die kleinsten Elektrosünden meines Vorbesitzers in den letzten Jahren gefunden und beseitigt habe. Das Messgerät bescheinigt mir auf Wunsch immer wieder, dass kein auch noch so kleiner Strom über den Schiffskörper fließt. Also konnte es eigentlich nur am Lack liegen, der nach den berühmten 10 Jahren schleichend begonnen hat, seinen Job nicht mehr zu machen.

Da wir unseren Werftaufenthalt wegen Michaelas Jobverpflichtungen dieses Jahr sowieso verlängert hatten, lag es nahe die Zeit zu nutzen, um das Problem anzugehen. Ich flog  also Anfang Mai wieder nach Neuseeland und wie ihr bereits aus den letzten Posts wisst, wurde aus dem kleinen Problem ein Großprojekt.

Lackarbeiten im neuseeländischen Winter sind ohne Überdachung nahezu unmöglich. Es regnet fast täglich. Also wollte ursprünglich ich mit einem gemieteten Gerüst und von PVC Rohren getragenen Planen ein provisorisches Dach für Teile des Decks bauen und dann schrittweise vorgehen - aber leider weht es dort im Winter auch häufig und stark. Nach mehreren unterschiedlichen Ansätzen und Kostenvoranschlägen war schnell klar, dass die günstigste Möglichkeit eine der Zelthütten der Werft war.
Kaum war der Mast unten - denn der passt in keine Hütte - kam ein besonders heftiger Sturm und zerstörte die Zeltplane der Hütte, in die Alita gebracht werden sollte. Es dauerte fast drei Wochen die Hütte neu aufzubauen.
 

Der ursprüngliche Plan nur den inneren Teil des Decks neu zu lackieren und den Rest unter dem PVC Teak nach und nach manuell anzugehen, war nun wegen der Vollüberdachung und dem zunehmenden Zeitdruck bereits aufgeweicht  und fiel dann endgültig ins Wasser, als sich herausstellte, dass sich die meisten PVC Latten nicht ohne Bruch entfernen ließen und es sich außerdem um das alte TekDek handelte, für das es keinen Ersatz mehr gibt. 
  

Der Zustand des Lacks unter dem PVC war zudem so schlecht, dass ich die Stellen lieber sofort einer Behandlung unterziehen wollte, bevor das Auminium noch mehr leidet. Weil sich nun ein Rundumschlag am Horizont abzeichnete und auch die Fußreling bereits an vielen Stellen Probleme gezeigt hatten, wurde diese kurzerhand  in das Projekt mit einbezogen.





Also dann! Den Klos im Hals runterschlucken, das flaue Gefühl im Magen ignorieren und ran an die Flex! Fliegen erst mal die Fetzen und der erste Meter Lack ist ab, fallen die letzten Hemmungen, denn nun gibt es sowieso nur noch eine Richtung - vorwärts.
Natürlich findet man unter dem Lack weitere Schwierigkeiten. Die  Korrosionskrater im Alu sind zu tief sind, um sie mit der Flex zu bearbeiten. Sie sind zu zahlreich, um sie mit dem kleinen Sandstrahler zu bearbeiten und wenn man sowieso schon den großen Strahler bringen muss, dann ist es schlauer den Plan wieder zu ändern und mit der Flex nur vorzuarbeiten so dass der Sandstrahler in einem Tag das ganze Deck schafft. 6 Manntage später schaut es dann so aus.
 

Wer jetzt denkt, dass das Schlimmste vorbei ist, der liegt gründlich falsch - denn was nun kommt ist eine Art chinesische Wasserfolter.  Es folgen Tage und Wochen in denen man nichts anderes macht als schleifen, abkleben, lackieren und wieder schleifen und wieder abkleben und mehr lackieren. Der Fortschritt ist dabei so minimal, dass man den Eindruck hat im einem Horrortag gefangen zu sein, der niemals endet. Die Hände sind taub, die Fingerspitzen bluten und zu allem Überfluss ist der Spaß auch noch teuer.
Wenn man sowas nicht schon einmal gemacht hat, denkt man sicher das sieht einfach aus. Aber wenn man bedenkt, dass allein das Abkleben der Yacht - um die Stellen zu schützen, die nicht gesandstrahlt bzw. lackiert werden sollen auf Alita jedes Mal drei Tage dauert. Außerdem macht man das insgesamt vier Mal, denn jede Lackschicht braucht neue, staubfreie Oberflächen.  

Es glaubt mir sicher auch keiner, dass ich fast zwei Tage per Hand nur an der Innenseite der Backbord Fußreling mit 150er Schleifpapier gerubbelt habe, bis sie bereit war für die nächste Schicht Farbe. Das war aber nur ein sehr kleiner Teil der Arbeit, die die verdammte Fußreling verursacht hat.

Insgesamt schleift man das ganze Boot mindestens dreimal komplett ab;  viele Stellen sogar weit öfter, bis auch die kleinste Unebenheit beseitigt ist. Natürlich können die wenigsten Problemstellen mit der Maschine bearbeitet werden und Schleifpapier arbeitet auf den Fingern fast genauso gut wie auf Farbe. Handschuhe halten nicht lange -außerdem spürt man nicht, ob die Stelle schon glatt ist. Also darf man nun auch die Finger abkleben - ein großer Spaß!

Irgendwann kommt der Zwischenlack drauf. Der ist dann schon weiß und alles sieht prima aus... aber die Schleiferei geht anschließend wieder von vorne los und alles muss noch glatter werden. Darauf  kommt der Toplack und dann die Antirutschflächen.

Insgesamt war ich 11 Wochen lang in der Hütte, sieben Tage die Woche und mindestens 11 Stunden pro Tag - oft auch mehr. Trotzdem brauchte ich Hilfe, um die Arbeit in dem gesetzten Zeitrahmen zu schaffen.

Am 31. August habe ich endlich die Hütte verlassen. Die Lackarbeiten sind beendet und alles was ich von Deck abbauen musste, ist wieder installiert. Die allermeisten Schrauben sind nun mit Aluschrauben ersetzt, die Gewinde  trotzdem mit Duralac geschützt. Die Hände und Fingerspitzen schlafen immer noch… außerdem warten wir noch auf unser neues PVC Teak, diesmal von Perma-Teek, weil Tek-Dek mit dem Preis nicht entgegenkommend war – obwohl sie meine Yacht auf ihrer Website haben!
 

Die Alubat Werft war ebenfalls mal wieder wenig hilfreich, wie immer wenn ich dort etwas anfrage. Normalerweise erhalte ich nach langem Warten Antwort und wenn es dann konkret wird, höre ich nichts mehr, trotz mehrfacher Rückfragen. Diesmal wollte ich 150 Aluschräubchen kaufen. Auch diesmal dauerte die Antwort ewig, aber schließlich wurden mir per Email Senkkopfschrauben zugesichert. Ich habe nach dem Preis gefragt und nie wieder etwas gehört. Also habe ich die Schrauben bei Probolt bestellt. Die haben zwar keine Kreuzschlitze, aber was soll‘s!

Inzwischen bin ich wieder in Deutschland bei meinem Schatz! Eigentlich wollte ich über JOJO in meiner Zeit hier ein paar Segelstunden in der Adria geben, vielleicht ein paar Wochen Skippertraining anbieten. Leider scheint kein Bedarf zu sein. Also sitze ich wohl nur rum, helfe Michaela bei der Verschönerung ihrer Bude und kuriere meine Finger aus. Ich freu mich schon sehr auf Dezember, wenn es endlich weiter geht. Das Seglerleben gefällt mir unter Segeln definitv besser als an Land!