Sonntag, 10. September 2017

Begegnungen der vierten Art


Ein Typ mit langen, grauen Haaren und Ledercowboyhut kommt mit seinem Beiboot auf uns zu. Ich steige aus dem Cockpit um ihn zu empfangen und winke freundlich. (Das Gespräch ist aus dem Englischen übersetzt).

>Hallo!<

Er kommt ganz heran und hält sich an der Bordwand fest.

>Habt ihr den Funk aus!?<

>Äh... Nö. Ist an. Wieso?<

>Ihr seid Olido?!<

>Was sind wir?<

>Die Yacht, Mann! Eure Yacht heißt Olido!<

>Alita.<

>Ja genau! Ich versuche Euch die ganze Zeit anzufunken!<

>Hab nichts gehört. Nur zwei, die sich in französisch auf Kanal 16 unterhalten. Warst Du das?<

>Davor! Ich hab Euch drei Mal angefunkt.<

>Sorry. Hab mich nicht angesprochen gefühlt. War wohl der Akzent.<

> Akzent!!!< Er schaut mich böse an.

>Egal. Was ist so wichtig?<

>Deine Yacht ist über meinem Anker!<

>Okay.< Ich blicke ungläubig zu seinem großen Katamaran, der mindestens 70 Meter von uns entfernt liegt. >Wollt ihr weg?<

>Nicht mehr. Es ist zu spät.<

>Tut mir leid. Aber ganz ehrlich, ich glaub nicht, dass ich auf deinem Anker liege.<

>Ich habe 80 Meter Kette draußen!<

>In fünf Meter Wassertiefe?! Bei Windstärke drei? Echt jetzt?<

>Ich kann so viel Kette geben wie ich will!<

>Ähh... Klar! Aber vielleicht wär's 'ne gute Idee, wenn du schon das sechzehnfache der Wassertiefe an Anker steckst, 'ne Ankerboje zu setzen?<

>Ich muss keine Ankerboje setzen!<

>Natürlich nicht! Aber dann reg dich bitte nicht auf, wenn andere über deinem Anker ankern.<

>Du musst ja nicht vor mir ankern, oder?! Ich bin seit 27 Jahren auf See unterwegs und man ankert nicht direkt vor einem anderen. Das tut man einfach nicht!<

>Okay. Nur, als wir vor vier Stunden hier geankert haben und ihr offenbar nicht an Bord wart, haben wir mindestens 30 Meter seitlich versetzt geankert... also eine gute Kettenlänge... und 90 Meter vor Euch... also eine dreifache Kettenlänge. Weil der Wind um dreißig Grad gedreht hat, liegen wir jetzt vor Dir und wenn er, wie vorhergesagt, noch weiter auf Nord dreht, dann sieht die Sache wieder anders aus. Und übrigens:...<

Ich habe mich an die andere Yacht im Ankerfeld erinnert, die ungefähr genauso weit entfernt von dem Katamaran auf der anderen Seite liegt. >...Du solltest dem da drüben Bescheid geben. Wenn Du wirklich 80 Meter Kette draußen hast, dann knallst du wahrscheinlich heute Nacht in den rein.<

>Ich versteh auch echt nicht warum ihr alle so nah an mir ankern müsst? Hier ist überall so viel Platz!<

>Das hat vielleicht damit zu tun, dass wir hier vor einer Hafeneinfahrt liegen und hier der einzige Ort in 70 Meilen Umkreis ist, wo man einkaufen kann?<

Das muss sich setzten und wir schweigen kurz. Er ist offensichtlich immer noch sauer und macht keine Anstalten weiterzufahren.

>Also was machen wir? Ich bin jederzeit bereit, wenn Du weg willst.<

>Ich wollte vorher weg. Jetzt ist zu spät! ...Du fährst ja heute noch?<

>Nein. Hatte ich nicht vor.<

>Na, super! Dann bleiben wir alle ein paar Tage hier, bis Du uns gnädiger Weise fahren lässt?!<

>Sag mal... Hast Du irgendwie einen schlechten Tag gehabt?<

>Pfttt!!<

>Ich hab Doch schon gesagt, dass ich jederzeit bereit bin, wenn Du weg willst. Außerdem muss ich mich höchstwahrscheinlich gar nicht bewegen, denn so wie der Wind gedreht hat, hat sich deine Kette um dutzend Korallenblöcke gewickelt und dein Anker liegt wahrscheinlich ganz wo anders.<

Wieder Schweigen. Noch immer scheint er etwas zu wollen.

>Also was ist? Was machen wir jetzt?<

>Das hängt von Dir ab.<

>Oh Mann! Was willst Du?<

>Eine Entschädigung.<

>Wie Entschädigung? Wofür?<

>Dafür, dass wir nicht fahren konnten.<

>Klar! Die 27 Jahre auf See haben dir offenbar nicht gut getan. Ich sag Dir, was wir jetzt tun. Du lässt uns in Frieden und wir ankern um. Tschüss!<

Wir haben daraufhin unseren Anker eine knappe halbe Meile entfernt von dem Katamaran geworfen. Das andere Boot in seiner Nähe ist eine halbe Stunde später umgezogen, in unsere Nähe....