Montag, 24. Dezember 2012

Frohe Weihnachten aus Puerto Madryn

Es war ein langer Trip von Buenos Aires hierher, nach Puerto Madryn. Dank diverser Tiefdruckgebiete, die in schneller Folge über uns hinweg, oder in unserer Nähe vorbei zogen, hatten wir teilweise etwas ungünstige und recht starke Winde. So wurden aus den geplanten 770 Seemeilen letztlich knapp 1000, bis wir wohlbehalten und etwas müde vor der kleinen Stadt am Tor zu Patagonien vor Anker gehen konnten.

Da Michaela über Weihnachten zu Ihrer Familie geflogen ist, war mein einziger Mitsegler auf dieser Etappe der Christian. Er ist netterweise ganz kurzfristig eingesprungen, als sich der ursprüngliche Törnteilnehmer plötzlich nicht mehr gemeldet hat. Allerdings konnte Christian sich gerade nur so viel Zeit vor Weihnachten frei machen, dass aus dem geplanten 14-tägigen Törn, ein Zehntagesritt wurde.

Von Argentinien hat er dabei leider nicht viel gesehen. Jeweils einen Tag Buenos Aires, San Blas und Puerto Madryn und dazwischen natürlich sehr viel Südatlantik. Es hat ihm trotzdem sehr gut gefallen, sagt er. Mir tat es aber sehr leid, dass das alles war, was ich ihm für seine Mühen bieten konnte – und dazu natürlich das Versprechen, dass er jederzeit auf Alita willkommen ist, wenn wir weniger flott unterwegs sind.

Zeitdruck ist im Südatlantik eigentlich kein guter Wegbegleiter, denn hier ziehen regelmäßig üppige Tiefdruckgebiete durch. Deswegen bietet es sich an, die Strecke in zwei bis drei Tagesritte einzuteilen und die Tiefdruckgebiete im Hafen, bzw. in Buchten abzuwettern. Die Zeit hatten wir leider nicht, aber zum Glück sah der Wetterbericht sehr gut aus.

Die ersten zwei Tage hatten wir sogar traumhafte Segelbedingungen und sind mit durchschnittlich sieben Knoten von Buenos Aires, durch den Rio de la Plata bis etwa 50 Seemeilen südlich von Mar del Plata gerauscht. Dann suchte uns allerdings eine kleine Kaltfront heim, mit starkem Gegenwind und Böen bis über 50 Knoten. Da hat uns etwas eingebremst. 

Zu zweit ist so ein mieses Wetter eine Strapaze, weil man schlecht, oder gar nicht schläft. Also haben wir uns, hinter der Kaltfront einen Tag Pause in der Bahia San Blas gegönnt, wo wir erst eine Nacht lang bei bis zu 35 Knoten Wind vor Anker lagen. Am nächsten Tag war der Wind vorüber und wir konnten den kleinen Ort besuchen, der vor Allem ein Zentrum für Sportfischer ist.

Wir wurden mit offenen Armen empfangen. In nur wenigen Stunden haben wir dort ganz erstaunliche Menschen kennengelernt. Allen voran den deutschstämmigen Apotheker Manfred und Martin, den supernetten Besitzer des Hotels San Blas (www.hotelsanblas.com.ar), der uns zunächst mit dem Auto zur Prefectura Naval gefahren und anschließend bei sich zum Essen eingeladen hat. Nettere Menschen kann man sich kaum vorstellen und wenn ihr mal in der Gegend seid, dann schaut mal bitte bei Ihnen rein und grüßt sie nett von uns.

Am Abend habe wir dann schon wieder Anker gelichtet, um prophezeiten guten Wind zu nutzen, der uns die letzten 270 Seemeilen nach Puerto Madryn tragen sollte. Leider war der Wind nicht ganz so gut, wie vorausgesagt und wir brauchten etwas länger. Was dann freilich dazu führte, dass wir kurz vor der Einfahrt in den Golfo Nuevo, die Randgebiete des nächsten Tiefs zu spüren bekamen – wieder mit Gegenwind und Gekachel, zum Glück diesmal nur 6 Stunden lang.

Als wir uns glücklich in die Einfahrt zum Golfo Nuevo gekämpft hatten, wurden wir dort von einer ganz erstaunlichen Kreuzsee empfangen, verstärkt durch die örtliche Tidenströmung, die an dieser Stelle bis zu 3 Knoten haben kann. So schön ausgeprägte und vor allem so viele Wellentürme habe ich noch nirgendwo gesehen. Es war fast als würden wir uns auf kochendem Wasser bewegen. Aber wie ich dann bei einer überkommenden Welle an den eigenen Füßen erfahren durfte, was das Wasser nach wie vor sehr kalt.

Kurz hinter der Einfahrt war der Spuk vorbei und vor uns öffnete sich der Golf vor Puerto Madryn mit Sonne, spiegelglattem Wasser und perfektem Segelwind. Alita war nicht mehr zu halten. Mit über zehn Knoten Fahrt durchs Wasser, schwebte sie durch die blaue See, ihrer wohlverdienten Pause entgegen - eingerahmt von den steilen Klippen der Halbinsel Valdez, Weltkulturerbe und Naturschutzgebiet. Nicht mal fliegen ist schöner!

Leider sind die Wale, die sich hier im Frühjahr hier aufhalten, schon weg. Es ist auch kein weiterer Seelöwe zu Besuch gekommen. Dafür haben wir schon einen Seehund, Pinguine und fast jeden Tag Delphine gesehen.

Christian ist inzwischen abgereist und ich bin die nächsten Tagen allein mit Alita. Wir beide feiern gemeinsam Weihnachten, ruhen uns etwas aus und ich hab wieder ein paar kleine Wartungsarbeiten zu erledigen. Ende der Woche kommen dann Michaela und Hanno. Wir drei fahren dann mit Alita in den Süden nach Ushuaia, in die südlichste Stadt der Welt!

Ihr hört dann wieder von mir, wenn es weiter geht. Bis dahin wünsche ich Euch allen, die meinen Blog verfolgen, ein wunderschönes, friedliches und glückliches Weihnachtsfest.
 







 

Samstag, 15. Dezember 2012

Das lachende und das weinende Auge

Gestern Nachmittag haben wir den Hafen von Buenos Aires verlassen. Das Wetter war abartig schön. Stahlblauer Himmel, erstklassiger Segelwind und kaum Welle. So sind wir schon am ersten Tag über 180 Seemeilen weiter in den Süden geglitten und bereits fast vor Mar del Plata.
Trotz des guten Wetters sind Alita und ich ein wenig traurig, weil wir auf dieser Etappe auf unsere geliebte Michaela verzichten müssen, die für zwei Wochen nach L.A. geflogen ist, um mal wieder so richtig zu Tanzen und Weihnachten mit ihrer Familie zu feiern. Es fühlt sich komisch an, nach so langer Zeit gemeinsam an Bord, nun ein Stück ohne sie zu fahren - auch wenn es zum Glück nur ein Kurzes ist.
Damit Alita und ich nicht ganz so allein sind, haben wir bis nach Puerto Madryn den Christian an Bord, der sich kurzfristig entschlossen hat zu uns zu stoßen. Nach zwei Tagen Buenos Aires und diesem wunderschönen Etappenstart ist die lange Anreise für ihn schon ganz vergessen und er fühlt er sich bereits fast wie zu Hause bei uns.
Wenn wir gerade von zuhause reden. Komischerweise bin ich auch ziemlich traurig Buenos Aires zu verlassen. Irgendwie ist diese Stadt für mich so etwas wie ein zuhause geworden, obwohl ich dort insgesamt nur etwa 6 Wochen meines Lebens verbracht habe. Schon bei meinem ersten Besuch, vor drei Jahren, hatte ich dieses vertraute Gefühl, das einem nur wenige Orte im Leben geben. Diesmal war es sogar noch stärker. Als Weltenbummler und jemand, der kein richtiges Zuhause mehr hat - außer dem schönsten Segelboot der Welt - ist man da vielleicht ein wenig empfindlicher, oder besser gesagt "empfänglicher". Es gibt nur sehr wenige Orte auf dieser Welt, an denen ich mich daheim fühle und komischerweise ist Buenos Aires näher an meinem Herzen, als meine Geburtsstadt München , wo ich ein paar Jahrzehnte verbracht habe.
Sollte ich einmal alles in der Welt gesehen zu haben, was ich noch sehen will und bereit sein mein geliebtes Nomadenleben aufgeben, dann gehört Buenos Aires sicherlich zu den Plätzen, an denen ich vielleicht länger Wurzeln schlagen könnte… vielleicht.
Da es aber noch lange nicht soweit ist, vertreibe ich nun einfach die komischen Heimatgefühle mit der Vorfreude auf Patagonien, Feuerland, Chile, die Südsee, Neuseeland und alles was danach noch kommt. Speziell auf die nächste Etappe, das wilde und bildhübsche Patagonien, freue ich mich schon wahninnig. Es ist einer meiner größten Träume im Leben diesen Landstrich mit dem eigenen Boot zu bereisen und einer der Hauptgründe dafür, dass ich heute mit Alita unterwegs bin. Die nächsten zwei Monate werden mit Sicherheit einer der größten Highlights meiner Reise… meines Lebens. Es wird sicher kein Spaziergang, aber das ist Teil der Faszination, die mich und viele andere Segler hierher treibt. Ich kann es kaum erwarten!

----------
radio email processed by SailMail
for information see: http://www.sailmail.com

Sonntag, 2. Dezember 2012

In meiner Stadt

Da sind wir nun – direkt im schicken Zentrum der besten Stadt der Welt. Alita liegt im Yacht Club Porto Madero,  mitten zwischen Wolkenkratzern direkt im Zentrum von Buenos Aires. Was für ein Gefühl! Ich liebe diese Stadt. Mit der eigenen Yacht hier zu liegen, das wird sicherlich eines der strahlendsten Highlights meines Lebens bleiben.  

Die Fahrt hierher war… abwechslungsreich. Nach einem guten Start aus Rio Grande mit ein paar Stunden schönem Wind, hatten wir die nächsten 30 Stunden fast nichts. Trotzdem kam keine große Langweile auf, denn wir hatten mit jeder Menge blinder Passagiere zu kämpfen, die sich in Rio Grande an Bord geschlichen hatten.

Dort lag die Yacht ja direkt an einer kleinen parkähnlichen Anlage und wurde von den dortigen Anwohnern scheinbar eingemeindet. Eine Spinne hat ein 30qm großes Netz zwischen den beiden Achterstagen gespannt, ein paar Ameisen haben sich im Beiboot versteckt und irgendwo hat eine Fliege ihre Eier hinterlassen, so dass unsere Antifliegenkanone fast im Dauereinsatz war.
 
Kaum waren die Insekten entsorgt, hieß uns die erste Argentiniern willkommen – eine einzelne Seelöwin, die Alita eine Weile begleitete, sich um uns herum im Wasser räkelte und uns zwischendurch freundlich anschnaubte.

Kaum hatten wir uns von all diesen Abenteuern erholt, kamen in der Abenddämmerung die ersten Gewitterwolken in Sicht. Wunderschöne, majestätische Wolkenkunst im roten Abendlicht. Micha hat wieder tolle Bilder in der Bildergalerie.

Aber es fiel uns schwer diese Schönheit zu genießen, da wir schon wussten, dass wir das Schauspiel mit einer anstrengenden Nacht bezahlen werden. Alita besteht zwar gänzlich aus Aluminium und Blitze können ihr keinen echten Schaden zufügen – wohl aber der Elektronik an Bord, der durch Überspannungen und elektromagnetische Impulse bei einem Volltreffer der Totalschaden droht. Deswegen ist so ein Gewitter auf See immer ein wenig Nervenkrieg und psychologisch anstrengend.

Dazu kommt die körperliche Anstrengung, da alle 5 Minuten die Windrichtung und die Windstärke drastisch wechselt. Auf Wache muss man also andauernd mit den Segeln „arbeiten“. Wenn man dann auf Freiwache müde in die Koje fällt, kann man trotzdem schwer schlafen, weil sich laufend die Lage im Bett ändert und die Wache an Deck bei der Bedienung der Winchen auch nicht gerade leise ist.

Als dann am späten Vormittag des nächsten Tages die Gewitter vorüber und wir so richtig übermüdet waren, begann dann die seemännisch anspruchsvolle Einfahrt in die Mündung des Rio Plata, wo es nicht nur unangenehme Wellen hat, sondern auch richtig, richtig viel Schiffsverkehr. Hier sind die größten Häfen von Argentinien und Paraguay und hunderte von Frachtern und Tankern fahren über ein Netz von Schifffahrtsstraßen aus und ein.

Im Morgengrauen des nächsten Tages waren wir dann endlich auf dem Canal Norte, der Zielgeraden in den Hafen - die eindrucksvolle Silhouette der Stadt und der untergehende Vollmond vor uns, die aufgehende Sonne hinter uns – da erwischte uns noch ein weiteres, heftiges Gewitter, das sich erst kurz zuvor, nördlich der Stadt, gebildet hatte. Blitze, Böen und Starkregen, der uns die Sicht nahm, waren nicht gerade das optimale Wetter in einen unbekannten Hafen einzulaufen.

Aber was für ein tolles Gefühl, als wir nach all diesen Anstrengungen dann im Hafen waren, die Wellen aufhören, der Wind den Atem anhielt, der Regen seinen Schleier von dem eindrucksvollen Panorama lüftete und die erwachende Stadt fast lautlos vor uns lag. Ein einzigartiger Moment!

Wir werden jetzt zwei Wochen das Stadtleben genießen und sowohl uns als auch Alita auf die harten Etappen vorbereiten, die in den kommenden Monaten vor uns liegen. Von mir hört ihr also erst wieder, wenn wir auf dem Weg nach Puerto Madryn sind. Ich bin beschäftigt!