Ich bin also mal wieder im "Schrauberstress" – aber inzwischen
ist es dunkel geworden und ich habe die Zeit auf eine Anfrage aus dem englischen
Blog zu antworten. Ein Schweizer Eidgenosse hat sich dort erkundigt, ob wird
denn mit der Wahl unseres Segelbootes und unserer Ausrüstung zufrieden sind.
Vielleicht interessiert die Antwort ja auch einige deutsche Leser.
Also um das gleich vorwegzunehmen. Sicherlich habe ich
ein paar Kritikpunkte, aber trotzdem bin ich auch nach über 12000
Seemeilen noch immer total begeistert von Alita. Dieser Rumpf von Alubat ist
nicht nur äußerst stabil gebaut, es ist den Franzosen auch wirklich ein ganz
hervorragendes Design geglückt. Unter Segel ist Alita einfach hervorragend.
Schon mit wenig Wind erreicht sie gute Geschwindigkeiten und auch bei viel Wind
und Welle vermittelt sie immer ein sicheres Gefühl. Der flexible Tiefgang ist
nicht nur bei kniffligen Fahrten durch seichte Gewässer ein beruhigender
Faktor, auch das Gleiten vor dem Wind mit eingezogenem Schwert macht großen
Spaß und bringt uns Etmale, auf die selbst ein Katamaran stolz wäre.
Die Ausstattung von Alubat passt ausgezeichnet zum
Rumpf. Das Rigg ist auf harte Beanspruchung ausgelegt und hat sogar Böen bis 50
Knoten unter Vollzeug ohne Murren ausgehalten (wir waren gerade am Reffen, aber
eine Minute zu spät). Die Inneneinrichtung ist praktisch, hübsch und gut
gearbeitet. Meines Erachtens ist Alubat mit der 455CC eine fast perfekte
Kombination aus Komfort und guten Segeleigenschaften gelungen und darüber
hinaus ist sie einfach wunderschön.
Die typische Kritik an den Alubats sind angebliche schlechte
Am-Wind-Eigenschaften und dass sie allgemein langsam seien. Beides kann ich
nicht nachvollziehen. Zumindest treffen sie auf die 455CC nicht zu. Eine
anderer Einwand, den viele gegen die Alubats ins Felde führen, ist mangelnde
Stabilität, da sie keinen Ballastkiel haben. Sicherlich fehlt den Alubat etwa
ein Meter an Hebelwirkung, die eine Kielbombe hätte. Das hat der Designer der
455 aber mit einer großen Menge Blei wett gemacht, die zwischen Schwert und
Niedergang im Inneren des Rumpfes für die nötige Stabilität sorgt. Aus meiner
Erfahrung mit den oben bereits erwähnten Böen ins Sturmstärke bei Vollzeug kann
ich nur sagen, dass es Alita an aufrichtendem Moment nicht mangelt. Ich bin
sicher einige Kielboote hätten bei der Aktion Wasser genommen.
Nun aber zu meinen Kritikpunkten, die es immer gibt –
denn das perfekte Segelboot wurde noch nicht erfunden:
Der Motor: Der VOLVO TMD22-P ist nicht die beste Wahl.
Zunächst einmal hat das Ding einen Turbolader, der jede Menge Öl frisst. Ich
habe die Lager der Turbine schon einmal auswechseln lassen, aber nach einem Jahr sind sie
schon wieder undicht. Außerdem entwickelt der Motor seine höchste Leistung bei
4000 Umdrehungen. Ich bin kein Masochist und werde meinen Dieselmotor sicher
nicht bei so hohen Drehzahlen bewegen. Fährt man aber bei normalen Drehzahlen
fehlt es dem Motor an Leistung, besonders bei Gegenwind und Welle.
Die Doppelruder: Die kleineren Ovnis haben ein
Klappruder, das ähnlich wie das Schwert hochzuklappen ist, wenn man
trockenfällt. Diese Konstruktion war wohl bei der 455 nicht mehr möglich.
Deswegen hat sie zwei Ruderblätter außen. Die Dinger sind wirklich sehr
stabil, weil der Rumpf darauf steht, wenn das Boot trocken liegt. Ich habe also
keine Sorge, dass die Ruder von Treibgut ernsthaft beschädigt werden könnten.
Die Doppelruder haben zwei andere große Nachteile. Erstens fangen sie gerne Kelp und
Leinen, die nur schwierig wieder zu entfernen sind. Zweitens werden die Ruder nicht
von der Schraube angeströmt. Manövrieren im Hafen ist deswegen Nervenkrieg.
Alita dreht nur, wenn sie gut Fahrt hat. Und sie braucht ziemlich viel
Fahrt, damit sie einen 30m Wendekreis hinbekommt. In den meisten Häfen hat man
nicht annähernd so viel Platz. Es kommt erschwerend hinzu, dass…
… die Schraube sich bei Nichtgebrauch flach stellt, um
Strömungswiderstand zu reduzieren. Leider braucht sie immer 10 Sekunden bis sie
von vorwärts auf rückwärts umstellt. Diese zehn Sekunden können seeehr lang
werden, wenn man im Hafen bei schneller Fahrt (um manövrierfähig zu sein) die
13 Tonnen aufstoppen möchte. (Ich bin sehr froh, wenn mein Bugstrahler
hoffentlich bald wieder funktioniert).
Die Baumreffanlage des Großsegels: Eine Rollreffanlage
mit Latten im Großsegel, das hört sich toll an. Leider hat es einige sehr
entscheidende Nachteile. Das feste Vor- und Unterliek bedingt äußerst schlechte
Trimmmöglichkeiten. Trotz der Latten, funktioniert das Großsegel bei Schwachwind
schlechter als ein vergleichbares Großsegel mit Mastreffeinrichtung. Ein
weiterer schwerer Nachteil des Baumreffs ist, dass Reffen und Ausreffen des
Segels nur in völlig entlasteten Zustand möglich ist - sprich man muss
mindestens 60 Grad an den Wind gehen und den Baum weit hinaus fieren – bei
Ozeanwelle ist das nicht gerade der angenehmste Kurs zum Reffen. Dazu kommt,
dass die Führungseinrichtungen, die das Vorliek des Segels in der
Kederschiene halten, bei Starkwind nur bedingt funktionieren, so dass es ausgerechnet dann
Schwierigkeiten gibt, wenn es schnell gehen muss. Trotz aller Vorsicht habe
ich das Segel dabei schon zweimal beschädigt. Bei nächster Gelegenheit - die
nötigen finanziellen Mittel vorausgesetzt - werde ich mir ein Großsegel mit
Einleinenreffsystem und Lazybag besorgen.
Den Windgenerator habe ich abmontiert. Er macht
hauptsächlich Lärm und nur in zweiter Linie ein wenig Strom. Bei 30 Knoten
Halbwind liefert er gerade mal genug Saft, um meinen Bordrechner zu betreiben.
Bei 40 Knoten Wind muss ich den Airogen 6 abschalten, indem ich die Flügel
fange und fixiere. Wer Lust hat, der kann gern einmal probieren bei 40 Knoten Wind
und entsprechender Welle auf der Heckreling herum zu turnen, um dort an schnell
drehenden, 4 Kilo schweren Rotorblättern vorbeizufassen, um den Windgenerator
umzudrehen… so ein blödsinniges Patent!
Meine Solarzellen waren eine super Investition. Der Dieselgenerator
läuft wirklich nur äußerst selten.
Der Wassermacher von HRO ist auch gut. 60 Liter
Süßwasser bei nur 20Ah Stromverbrauch. Das passt prima zu meinem
Energiekonzept, das hauptsächlich auf Solarzellen beruht.
Unverzichtbar ist auch die Möglichkeit über Sailmail
Emails und Wetterdaten zu empfangen. Wer nicht gleich 10.000 Euro für einen
Grenzwellenfunkanlage ausgeben möchte, der kann das auch mit einem
Iridiumtelefon realisieren.
GPS, elektronsiche Karten, Radar und AIS sind meines Erachtens auch
unverzichtbare Sicherheitsausrüstung. Wobei man nie blind auf die Elektrik vertrauen sollte und auch in der Lage sein muss, im Notfall auf Papierkarten zu navigieren.
Was fällt mir noch ein… gerade nichts mehr. Falls ich
was vergessen habe, oder etwas unklar ist, dann fragt einfach nach.
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