Heute abend haben wir das Ende der Messierstrasse erreicht und sind in den "Golfo de Penas" eingefahren. Damit sind wir zum ersten Mal seit über einem Monat wieder auf "offener" See. Ich habe ich mich selbst dabei ertappt, dass ich ohne ersichtlichen Grund etwas angespannt war. Zwar ist die große Bucht bei Seefahrern berüchtigt, weil hier hohe Wellen aus den "Roaring Forties" auf die Kontinentalplatte treffen und dadurch steiler werden. Der Effekt wird durch eine dumme Strömung noch verstärkt, die einen zu allem Überfluss auch noch Richtung Land drückt - also ein gefährliches Loch, dass selbst bei der Großschifffahrt gefürchtet ist. Aber da es schon seit Tagen kaum Wind hat und auch heute nur ein laues Lüftchen über das Wasser haucht, brauchte ich mir um schwierige Bedingungen keine Sorgen zu machen. Tatsächlich liegt der Golfo de Penas heute Nacht bei absoluter Windstillte ruhig wie ein Ententeich und dazu lacht Vollmond.
Ich glaube inzwischen, dass die Unruhe in mir einfach daran liegt, dass wir nun die geschützten Kanäle verlassen, die uns seit über einen Monat ständig umgeben. Seit Ushuaia haben wir immer Land um uns und alle paar Meter einen schönen Ankerplatz, an dem man selbst bei Sturm ruhig schlafen kann. Ich habe sie liebgewonnen, die verfluchten Kanäle, in denen Segeln praktisch unmöglich ist, weil einem Wind und Strömung ständig entgegen kommen und wenn das tatsächlich einmal nicht der Fall ist, dann ist der Wind so böig und dreht alle paar Meter wild um die komplette Kompassrose, dass man sehr bald Mitleid mit den Winschen, den Segeln und der Mannschaft hat und den Motor doch wieder anwirft.
Es ist schon komisch, wie schnell man sich an Dinge gewöhnt. Bevor wir im Januar in die chilenischen "Binnengewässer" eingefahren sind, waren wir fast ein Jahr ständig auf See und haben uns nichts dabei gedacht. Ein paar Wochen später verursacht eine offene Bucht von 60 Meilen Durchmesser einen Gedankensturm.
Die Kanäle sind in den letzten Wochen unser bezauberndes "Zuhause" geworden. Nicht nur wegen der großartigen Highlights, wie z.B. der "Gletscher Pio XI" vor dem wir gestern mit Alita fast in Ehrfurcht erstarrt wären, dessen Eiskante unseren Mast um mehr als das Doppelte überragt hat. Auch die kleinen Einblicke, die uns hier fast minütlich erfreut haben, wie z.B. windgeglättete Felsen, die vom letzten Regen noch nass, wolkenverhangen in der Sonne glitzern. Diese Schönheit lässt mich die negativen Seiten, das ständige Motoren, dass mir so tierisch auf die Nerven geht, sicher bald verdrängen, weil der glückliche Reisende alles vergisst, was im großen schönen Bild nicht so perfekt war und so von der Entdeckerlust getrieben, ständig die Liste der Dinge erweitert, die er in der Zukunft vermissen wird. Es ist wieder an der Zeit ein schönes Zuhause zu verlassen... und ich freue mich schon sehr auf das Nächste!
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