Nun ist es bald vorbei mit Gedümpel in der ewigen Badewanne. Vor einer
guten Woche sind wir in Tonga angekommen – genauer gesagt auf der
kleinen Insel Niuatoputapu. Ja, ich hab auch eine ganze Weile gebraucht,
bis ich mir das merken konnte und noch länger, bis ich es aussprechen
konnte! Inzwischen sind wir bereits eine Inselgruppe weiter südlich -
auf Vava'u. Hier treiben sich derzeit so ziemlich alle Segelboote herum,
die in den nächsten Wochen nach Neuseelandfahren wollen - also raus aus
den Tropen und weg von den gefährlichen Wirbelstürmen, die ab November
hier ihr Unwesen treiben können.
Bevor ich aber von Tonga erzähle, wollte ich noch unseren tollen
Aufenthalt in Samoa erwähnen. Das Land hat uns wirklich ganz
ausgezeichnet gefallen. Irgendwie sind die Leute dort sogar noch netter,
als sie es schon in der ganzen Südsee waren – keine Ahnung, wie sie das
schaffen. Das Leben auf Samoa ist im Gegensatz zu Französisch Polynesien
und den Cook Inseln einigermaßen erschwinglich und auf den zwei großen
Inseln gibt es viel zu sehen. Z.B. riesige Wasserfälle die man bestaunen
kann und kleine Wasserfälle die man runterspringen und -rutschen kann.
Die Abkühlung in dem kühlen Süßwasser ist auch dringend nötig, denn
Samoa war so ziemlich der heißeste Ort, an dem wir bisher waren.
Interessant an den Samoanern ist auch ihre ganz eigene Kultur und
Lebensweise. Außerhalb von Apia, der einzigen Stadt auf Samoa, leben die
meisten Menschen in „Fales" - das sind große, ovale Dächer, die auf
Pfählen in einem Stein- bzw. Beton-Fundament stehen. Wände gibt es keine
– also auch keine Privatsphäre! Je nach Tageszeit wird die Einrichtung
im Fale hin- und her geschoben. Nachts liegen überall Matratzen auf dem
Boden und es hängen Moskitonetze darüber. Tagsüber lehnen die Matratzen
aneinander auf einer Seite und es steht ein niedriger Tisch in der Mitte
des Fale - gegessen wir auf dem Boden sitzend. Bei Wind und Regen werden
Stoffe und Planen auf der Wetterseite gespannt.
Die Fales stehen meistens in Gruppen zusammen, die wir als Dörfer
bezeichnen würden. Auf Samoa sind das aber Großfamilien. Wir haben einen
Mann getroffen, dessen „Familie" angeblich 1800 Seelen zählt. Jede
Familie hat auf der Insel ihr eigenes Gebiet, in dem sie lebt und das
sie verwaltet. Regiert werden die Familienmitglieder von den Chiefs der
Familie, also den Häuptlingen, bzw. Dorfältesten. Der Ältestenrat regelt
alle Belange der Familie. Wenn es Streit gibt, dann schlichten die
Chiefs. Wenn die Familie eine neue Straße will, dann müssen alle
Familienmitglieder dafür bezahlen – da macht der Staat Samoa gar nichts.
Das führt dazu, dass wir öfter mal Wegzoll zahlen mussten, wenn wir über
so eine Familienstraße zu einer besonders schönen Küste fahren wollten.
Am Erstaunlichsten sind aber die Kirchen. In jedem Dorf steht hier nicht
eine Kirche, sondern aber zwei oder drei - denn schließlich gibt es jede
Menge christliche Glaubensrichtungen und alle Missionare sind auf Samoa
erstaunlich erfolgreich. Manchmal hat man den Eindruck es gibt mehr
Kirchen als normale Häuser auf Samoa - und ich rede nicht von schäbigen
Dorfkapellen. Das sind immer große, schicke und einwandfrei gepflegte
Gebäude. In Stadtnähe erreichen die Gotteshäuser unglaubliche
Dimensionen, die schon fast an einen europäischen Dom heranreichen. Es
gibt aber auch modernste Kirchen, von Stararchitekten designed, die eher
an ein Raumschiff erinnern.
Das Ganze ist umso erstaunlicher, wenn man weiß, dass die Menschen auf
Samoa so arm sind, dass sie ohne regelmäßige Unterstützung der
Familienmitglieder im Ausland (hauptsächlich Neusseland, aber auch
Australien und USA) nicht überleben könnten. Wo das ganze Geld für die
Kirchenpräsenz, Vielfalt und Größe herkommt, ist mir ein komplettes
Rätsel. Ich muss vermuten, dass die Familien mehr als die Hälfte des
Haushaltsbudgets den Kirchen in den Rachen werfen. Naja, zumindest sind
sie dann nach ihrem Tode prima versorgt…
Auch in Tonga gibt es viele Kirchen, aber sie sind nicht annähernd so
protzig. Auch die Tonganer gehen mehrmals die Woche in die Kirche.
Sonntags sogar zweimal. Die Kirche nimmt den Menschen also nicht nur das
Geld, sondern auch die Arbeitszeit. Das geht soweit, dass der Mittwoch
in Tonga inzwischen ein inoffizieller Feiertag ist. Die Menschen wollen
einfach mal etwas Zeit mit ihren Ehepartnern und Kindern verbringen und
da sie am Wochenende fast ausschließlich mit kirchlichen Tätigkeiten
beschäftigt sind, gehen sie nun Mittwoch nicht mehr zur Arbeit.
Natürlich hat die Kirche das spitz gekriegt und erwartet inzwischen,
dass ihre Schäfchen auch Mittwoch vormittags zum Pflichtgottesdienst
erscheinen… keine Ahnung, wo das endet.
Zumindest bewirkt der strenge Glaube und die starken Familienstrukturen,
trotz der Armut und der vielfältigen Probleme des Landes einen
unumstößlichen sozialen Frieden und das führt letztlich zu genau der
Freundlichkeit der Menschen, die das Land so einzigartig macht und die
wir sehr genießen.
Zu Tonga kann ich noch nicht wirklich viel sagen. Niuatoputapu war nicht
wirklich etwas Besonderes, aber es liegt ziemlich genau in der Mitte
zwischen Samoa und Vava'u, macht also aus einer langen Überfahrt zwei
überschaubare Tagestrips und bietet in seiner kleinen Lagune einen
sicheren Ankerplatz, wo man sich prima ausruhen kann. Leider ist das
Wasser in der Lagune sehr trübe und die Insel selbst bietet auch wenige
Sehenswürdigkeiten. Aber ganz langweilig war uns dort nicht, denn
immerhin ist es uns zum ersten Mal gelungen mit dem Beiboot relativ nahe
an einen heranzukommen. Die Walkuh hatte ihr Junges dabei und der
„Kleine", dar auch schon gute fünf Meter lang war, wollte vor uns ein
wenig angeben. In etwa fünfzig Meter Entfernung von uns ist er einige
Male aus dem Wasser gesprungen. Micha war wie immer geistesgegenwärtig
und hat ein paar schöne Fotos hinbekommen.
Anders als Niuatoputapu, ist die die Westseite der Vava'u Gruppe eine
echte Überraschung und geologisch was ganz Neues für uns. Hier hat es
endlich mal nicht das typische Korallenriff und türkisblaues Wasser um
eine Vulkaninsel herum. Stattdessen sind die Inseln der Vava'u Gruppe
zahlreich und verwinkelt, die Küsten meist steile, schwarze Vulkanwände
und das Wasser davor ist tief und klar. Natürlich gibt es viele
versteckte Buchten, mit kleinen Sandstränden und seichtem Wasser zum
Baden. Die Ankermöglichkeiten sind hier so zahlreich, dass man fast in
Stress geraten könnte. Schließlich wollen wir möglichst alle mal sehen!
Zum Stress trägt außerdem die versammelte Cruiser-Gemeinschaft bei. Hier
trifft man gebündelt all die netten Segler wieder, die man im östlichen
Pazifik kennengelernt hat und man weiß gar nicht, wie alle in den vollen
Terminkalender passen sollen. Ein echtes Drama! Naja, wir werden uns
einfach nicht stressen lassen und genießen unsere letzten Wochen in den
Tropen.
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