Samstag, 14. Januar 2017

Auf Durchfahrt in Nelson

Wir hatten drei vergleichsweise ruhige Tage in Nelson, nach unserer etwas stressigen Überfahrt zur Südinsel mit Motorschaden. Wie viel Erholung man wirklich braucht, merkt man immer erst dann, wenn man sich Zeit dafür nimmt!

Eigentlich wollten wir in Nelson nur unsere Freunde Sibylle und Peter absetzten, die sich nach vier Wochen an Bord auf den langen Weg zurück ins winterliche Deutschland gemacht haben. Anschließend kurz ins Trockendock, um das lädierte Unterwasserschiff zu streichen.

Aber die Kosten für den Travellift in Nelson sind doppelt so teuer, wie im Rest von Neuseeland - die tägliche Standmiete beträgt am ersten Tag das fünffache des gewohnten Preises, danach das dreifache. Zu teuer, besonders wenn man nur schnell zwei Tage raus will.

Wir hätten also gleich weiterfahren können, aber irgendwie schafften wir den Absprung nicht. Die Liste von Kleinigkeiten, die wir "noch schnell" erledigen wollten, wurde einfach nicht kürzer.

Nach unserer salzhaltigen Reise zur Südinsel hat Michaela hat die Waschmaschinen im Hafen genutzt um reichlich Klamotten und alle Kissen- und Polsterbezüge zu waschen. Ich habe natürlich geholfen! Auch Alita wurde mit etwas Süßwasser verwöhnt und von ihrer Salzkruste befreit.

Außerdem hatten wir ein paar Besorgungen in der Stadt. Nur ein wenig Kleinkram fürs Boot und den geplanten Trockendockaufenthalt, Ersatz für einen verlorenen Sprengring des Turboladers, eine Batterie für den Tauchcomputer, Lebensmittel, Gas... Außerdem mussten wir den durchgeschmorten Starter zur Reparatur senden. Das nahm allein schon fast einen Tag in Anspruch.

Unterwegs begegneten wir Sean und waren sofort bei ihm und seiner netten Familie zum BBQ eingeladen. Wir lernten ihn und seine Stahlketch Kupere vor zwei Jahren im Südminervariff kennen, wo man sonst nichts und niemand trifft. Daraus ergab sich eine dieser typisch lockeren Seglerfreundschaften. Sean lebt und arbeitet den Sommer über in Nelson und fährt Touristen mit Bus und Wassertaxi spazieren. Im Winter versucht er mit seiner Familie segeln zu gehen - wenn es finanziell passt.

Als wir von unserem Missgeschick in New Plymouth erzählten, verschwand er kurz im Haus und kam mit einem Auszug aus einem Buch von Sterling Hayden zurück, den ich hier kurz übersetzen will:


Auf Durchfahrt - Stirling Hayden 1916-1986


Um wirklich anspruchsvoll zu sein, muss eine Reise - genauso wie ein Leben - auf einer soliden Basis finanzieller Unsicherheit stehen. Ansonsten ist man zu einer dieser Routineveranstaltungen verdammt, die man von diesen Yachtbesitzern kennt, die mit ihren Booten auf See spielen - sie nennen es Segeln. Segelreisen hingegen sind etwas für Seemenschen und für die Wanderer auf dieser Welt, die nicht hineinpassen können oder wollen.

Wenn man eine Reise plant und die Mittel dazu hat, dann sollte man die Reise verschieben, bis sich die Lebensumstände entsprechend ändern. Nur dann wird man erfahren, was das Leben auf See wirklich bedeutet.

"Ich wollte schon immer in die Südsee segeln, kann es mir aber nicht leisten." Was diese Menschen sich nicht leisten können ist NICHT zu fahren. Sie sind Gefangene des wuchernden Wunsches nach "Sicherheit". In Vergötterung von Sicherheit werfen wir unser Leben vor die Räder der Routine - und bevor wir uns versehen ist es vorbei.

Was braucht ein Mensch - braucht er wirklich? Ein paar Pfund Nahrung am Tag, Wärme und Unterschlupf, knapp zwei Meter um sich abzulegen - und irgend eine Form der Beschäftigung, die ihn mit dem Gefühl befriedigt, etwas geleistet zu haben. Das ist Alles - in materieller Hinsicht. Und wir wissen es. Aber wir ergeben uns der Gehirnwäsche unseres Wirtschaftssystems bis wir in einer Grabkammer unter einer Pyramide von Zahlungszielen, Krediten, absurden Gerätschaften und Spielzeugen begraben sind, die uns von der offensichtlichen Dummheit dieser Scharade ablenken.

Die Jahre rasen vorbei. Die Träume der Jugend verblassen, wo sie liegen bleiben unter Staubschichten auf den Regalbrettern der Geduld. Bevor wir uns versehen ist die Grabkammer versiegelt.

Was ist also die Antwort? Es ist die Wahl. Was soll es sein: Bankrott im Geldbeutel oder Bankrott des Lebens?

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