Verdammt. Jetzt ist der letzte Blogbucheintrag von mir schon
wieder über zwei Wochen her. Ich versuche ehrlich jede Woche was zu schreiben,
aber ich komme echt nicht dazu. Jaja. Ich höre von hier, wie ihr zuhause
auflacht. Ihr, die ihre 50 Stunden Woche abreiten müsst, mindestens eine Stunde
pro Tag Ausgleichsport betreibt, am Wochenende Euren Hobbies nachgeht, damit
ihr nicht einrostet und nebenbei noch um Eure 4 köpfige Familie kümmert. Und da
beschwert sich der Typ, der auf den Weltmeeren rumdümpelt, dass er keine Zeit
hat.
Ich weiß, es klingt komisch… aber es ist so. So ein
Segelboot macht einfach viel Arbeit. Wenn man unterwegs ist ist eh nicht an
bloggen zu denken, denn da kümmern wir uns in wechselnden Schichten um den
Ausguck und die Segel. Wenn Gäste da sind, dann kümmern wir uns um die, wenn
wir vor Anker oder im Hafen liegen. Und wenn keine Gäste da sind, dann kümmere
ich mich um Alita, repariere die kleinen Verletzungen, tausche regelmäßig die Verschleißteile
und verbessere hier und dort einige Kleinigkeiten, die mich schon länger
stören. Und bevor ich mich umsehe, ist der Tag rum.
Klar ist das letztlich eine Frage der Prioritäten und
sicher habt ihr Verständnis dafür, dass die Funktionstüchtigkeit von Alita den
Vorrang vor den Reiseberichten hat. Denn wenn Alita kaputt geht, dann hört das
mit den Reiseberichten gänzlich auf. Aber nun zum Thema:
Seit dem letzen Blogbeitrag in Caravelas haben wir gut
Strecke gemacht und sind nun westlich von Rio de Janeiro in der Gegend um
“Angra dos Reis“ angekommen. Hier gibt es eine große dichtbewucherte, grüne
Inseln „Ilha Grande“ mit geschützten Buchten, weißen Stränden und schwarzen
Felsen. Die Ankermöglichkeiten sind nahezu unerschöpflich, ganz anders als in
den bisherigen Gebieten der brasilianischen Küste, wo man im Schnitt nur alle
hundert Kilometer einen guten Unterschlupf finden konnte.
Die Insel steht unter Naturschutz und ist nur am Ufer
dünn besiedelt – hauptsächlich mit Pousadas (Pensionen). Es gibt einen Wanderweg
der einmal um die Insel herumführt und im inneren ist dichter Dschungel, also
echter Dschungel- So echt, dass man regelmässig die Affen schreien hört und das
klingt gruslig kann ich auch sagen!
Für uns gewöhnungsbedürftig ist die hohe Dichte an
Segel- und Motorbooten. Seit wir die Kanaren verlassen haben, waren wir immer
eines von wenigen, wenn nicht das einzige Segelboot weit und breit. Das hat
sich nun schlagartig geändert. Gestern Nacht lagen wir zusammen mit fast 30
anderen Sportbooten in einer lauschigen Bucht. Weiter verwunderlich ist das
nicht, denn Angra liegt genau zwischen Rio de Janeiro und Sao Paulo, den beiden
größten Metropolen in Brasilien und ist sowas wie die Badewanne der Nation –
ähnlich wie das Mittelmeer für die Europäer.
Zum Glück sind die Brasilianer ein bisschen merkwürdig,
was ihre Urlaubsgewohnheiten angeht. Bis auf ein paar Individualisten, geht man
nämlich nur im Hochsommer aufs Meer, also von Dezember bis zum Karneval. Für
uns etwas schwer verständlich, denn die Temperaturen zu dieser Zeit sind auch
nicht wesentlich anders. Gut, es regnet weniger und deswegen ist auch das
Wasser an der Küste klarer, denn die Flüsse im Inland führen weniger Wasser und
bringen weniger Schwebeteilchen. Aber uns soll es recht sein, dass der Ansturm
erst kommt, wenn wir längst wieder weg sind. In der Saison, so wurde uns
erzählt, liegen in dieser Bucht jede Nacht um die 200 Boote!
Gewöhnungsbedüftig sind auch die Wassertemperaturen, die
seit den Abrolhos drastisch gesunken sind. Nach mehreren Monaten in tropischen
Gewässern mit Wassertemperaturen um die 27 Grad bin ich etwas verweichlicht und
empfinde das Wasser hier, das 18 bis 21 Grad hat, als kalt. Die niedrigere Wassertemperatur
führt auch dazu, dass es nachts deutlich kühler ist. Ich musste doch
tatsächlich bereits zweimal eine lange Hose hervorkramen und draußen auf dem
Meer reicht das noch nicht einmal!
Zum Glück bin ich als bekennender Warmduscher in guter
Gesellschaft, denn den Walen scheint es ähnlich zu gehen. Seit wir bei Cabo Frio
die kälteren Gewässer erreicht haben, sind die Buckelwale verschwunden. Obwohl
ich nun nicht mehr besorgt sein muss, dass wir Nachts mit einem kollidieren, vermisse
ich diese eindrucksvollen Tiere doch, die uns täglich mindestens einen
Highlight beschert haben - entweder mit akrobatischen Darbietungen, oder
einfach dadurch, dass sie ganz in der Nähe plötzlich auftauchen und lautstark
abblasen.
Ach ja - und dann war da noch Rio. Dort haben wir auch
ein paar Tage verbracht. Leider ist die Marina dort sehr teuer und dafür bietet
sie auch so gut wie nichts. Die Duschen sind unter aller Sau, Internet gibt es
nur direkt am Büro, die Security ist bestenfalls als lückenhaft zu bezeichnen
und die Startbahn des Stadtflughafens ist so nah, dass man Mühe hat sich zu
unterhalten, wenn ein Flieger abhebt. Darüber hinaus gibt es in der Marina mehr
Moskitos, als auf dem ganzen Rest der brasilianischen Küste zusammen.
Das Dümmste an der Marina aber ist, dass sie direkt an einer Art Park liegt, durch die eine
Autobahn führt. Wir wurden mehrfach gewarnt zu Fuß durch den Park zu gehen,
weil dort die Gefahr sehr groß sei, überfallen zu werden. Fährt man aber Taxi –
egal in welche Richtung – zahlt man für unglaubliche Umwege, da es auf der
Autobahn kaum Wendemöglichkeiten gibt. So war zum Beispiel die Fahrt in die
Wäscherei, einen Kilometer Luftlinie entfernt, gefühlt 10 Kilometer lang und
schmerzhaft teuer. Nach drei solcher Wuchertouren – und der Beobachtung, dass
im Park, sogar bei Dunkelheit noch viele Menschen zu Fuß gehen, wagten wir es
auch. Das Geld das wir bei den drei erfolgreichen Durchquerungen zu Fuß
einsparten, wurde uns dann aber bei der vierten Durchquerung von einem
nervösen, jungen Mann mit einem Messer abgenommen.
Auch wenn der Überfall nicht wirklich bedrohlich war –
der Typ war nervöser als wir und hatte ein Küchenmesser mit grünem Plastikgriff
– so trug er nicht gerade dazu bei, den schlechten Eindruck von Rio vergessen
zu machen, den die Marina hinterlassen hatte.
Natürlich besteht Rio nicht nur aus der schrecklichen
Marina und unhöflichen Menschen mit Messern. Die Stadt selbst ist wirklich sehenswert
und auch hier sind die allermeisten Menschen fröhlich, nett und hilfsbereit,
wie eigentlich alle Brasilianer. Wir haben die langen Spaziergänge durch die
verschiedensten Viertel der Stadt und den Ausflug zur Jesusstatue sehr genossen
– aber nach drei Tagen hatten wir beide genug Großstadterlebnisse.
Jetzt genießen wir erst
einmal ein paar Tage die Ruhe der Nebensaison in der Gegend von Angra und dann
machen wir uns gemütlich auf den Weg die Küste weiter nach Süden. Wir haben
gute fünf Wochen Zeit bis wir in Buenos Aires erwartet werden. Das ist nicht
gerade Stress. Vielleicht komme ich sogar dazu öfter was zu posten, aber ich
habe auch noch ein paar kleinere Reparaturen auf der Agenda.
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