Vor gut einem Jahr sind wir in der Türkei aufgebrochen,
voller Enthusiasmus, Vorfreude, Energie – aber natürlich auch mit großer Spannung
und ein wenig Unsicherheit. Natürlich wussten wir, dass Alita ein tolles
Segelboot ist, gut gezeichnet und solide gebaut, top gewartet und luxuriös
ausgestattet – sonst hätten wir sie nicht gekauft. Aber wie in jeder frischen Beziehung, muss
man sich auch an eine neue Segelyacht gewöhnen. Man muss erst einmal herausfinden,
was sie gern hat und wo sie etwas empfindlich ist. Alitas ist eine echte Lady,
eine High-Maintenance-Braut. Ihre großzügige Ausstattung bedeutet einerseits
hohen Komfort, aber anderseits auch hohen Wartungsaufwand. Da man nie genau
wissen kann, was der Vorbesitzer zu welchem Zeitpunkt gewartet bzw. ausgetauscht
hat, fängt man praktisch bei Null an und tastet sich an diverse unbekannte
Geräte heran, also im Klartext: Man nimmt bei entsprechender Gelegenheit alles der
Reihe nach gründlich auseinander, was in Alitas Fall mehrere Monate gedauert
hat. Die Menge an wichtigen Ersatzteilen, die man mit sich führt, wächst dabei wöchentlich
und die Einkaufsliste wird selten leer.
Mit jeder Seemeile, die man ohne größere Ereignisse
hinter sich lässt, wächst das Vertrauen in die Yacht - letztlich auch in einen
selbst. Obwohl ich nun schon seit über 20 Jahren mit Segelyachten unterwegs bin,
lerne ich auf dieser Reise noch immer fast täglich etwas dazu.
Wenn wir heute zurück blicken, dann war es ein
anstrengender Start in unser Segelabenteuer. Da wir beide bis zwei Tage vor
unserem Abflug gearbeitet haben und alles andere nebenbei organisierten -
Vermietung der Wohnung, Einlagerung der persönlichen Gegenstände, Vorbereitung
der Yacht und Überführung von der Türkei auf die Kanaren (wo wir dann im Juni
erst richtig starten) - gingen wir ziemlich gestresst in die Reise. Michaela
ist gleich in der ersten Woche, auf dem Weg von den Kanaren auf die Kap Verden,
gründlich krank geworden. Es hat letztlich bis Brasilien gedauert, bis wir voll
und ganz auf Alita angekommen waren.
Nun sind wir vier Monate in Brasilien und es kommt uns
vor wie ein ganzes Jahr. Trotzdem war der Aufenthalt viel zu kurz. Dieses Land hat
uns richtig positiv überrascht. Die Menschen sind hier alle offen, freundlich
und hilfsbereit und es gibt so unendlich viel zu sehen, dass man locker mehrere
Jahre hier verbringen könnte. Leider dürfen wir Gringos immer nur drei Monate (bzw.
als Deutscher mit Ausnahmegenehmigung sechs Monate) am Stück hier sein. Dadurch
wird der Besuch mit dem Segelboot immer ein bisschen gehetzt.
Michaela und ich, wir sind uns absolut einig darüber,
dass wir unbedingt wiederkommen müssen – und auch Alita kommt sicher gern
wieder. Sowohl die Kap Verden als auch die brasilianischen Küste werden wir auf
jeden Fall nochmal besegeln. Wann das allerdings sein wird, steht noch in den
Sternen. Nun sind wir erst einmal auf dem Weg nach Neuseeland und auch im
Pazifik gibt es noch so viel zu sehen, dass es noch ein paar Jährchen dauern kann,
bis wir die tollen Länder im Südatlantik wieder bereisen dürfen.
Nun kommen wir erst einmal nach Argentinien, das mit
Sicherheit eines der schwersten Segelreviere der Welt ist. Dort erwarten uns häufige
Starkwinde, Tidenströmungen um die 4 Knoten entlang der Küste und deutlich mehr
in Engstellen. Das größte Problem dort ist aber das Fehlen von Häfen. Auf der
ganzen endlosen Strecke zwischen Mar del Plata im Norden und Ushuaia im Süden
gibt es nur eine Handvoll Unterschlupfe, in denen man sich bei schlechtem
Wetter verstecken kann. Ich bin ganz sicher, dass wir auch auf dieser Etappe wieder
viel dazulernen werden. Vor Allem der Respekt vor den Elementen wird eine
gründliche Auffrischung bekommen.
Doch bei allem Respekt und trotz ein klein wenig
Muffensausen, freuen wir uns schon wahnsinnig auf das rauhe Argentinien. In
Buenos Aires haben wir noch ein paar Tage uns selbst und Alita auf diese
anspruchsvolle Etappe vorzubereiten. Die Yacht braucht noch einen schwereren Reserveanker
und ein paar hundert Meter lange Landfesten, wegen der speziellen Ankerplätze
in Feuerland. Wir Menschen müssen die langen Unterhosen, die Fließpullis, die
Thermounterwäsche, die Gummistiefel, das Offshore Regenzeugs und vor Allem den
Spaß am Sauwetter wieder hervor kramen. Landschaftlich und seglerisch werden
die nächsten Monate mit Sicherheit ein einzigartiges Highlight.
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