Zwei Wochen lang war alles gut und wir hatten eine wunderbare Zeit auf unserem Weg nach Cape Reinga. Alle wichtigen Systeme waren mehrfach getestet und liefen einwandfrei. Also sprach nichts gegen einen längeren Schlag durch die etwas raueren Bedingungen im Tasmanischen Meer. Wir machten uns auf den Weg in den Süden und plötzlich war die Glücksträhne vorbei und so ziemlich alles schien sich gegen uns zu verschwören.
Zunächst hatten wir in der Anfahrt auf Parengarenga, dem letzten Stop auf der Pazifikseite, ein Problem mit unserem Starter. Er schaffte es nicht den Motor zu drehen und fing zu schmoren an.
Rückwirkend betrachtet war das wohl ein erster Hinweis auf unser Hauptproblem mit der Maschine, aber zu dem Zeitpunkt konnte ich das nicht wissen. Da der Starter letztes Jahr schon Probleme gemacht hatte und in Neuseeland zusammengeflickt wurde, ging ich davon aus, dass die Reparatur schlampig ausgeführt worden war. Seitdem haben wir aber einen Ersatzstarter an Bord. Der war schnell eingebaut und der Motor lief wieder.
Nach einer ruhigen Nacht in Parengarenga liefen wir aus, umrundeten Cape Reinga unter Motor zwecks mangelndem Wind. Auf der Westseite kam dann der vorhergesagt Nordwind auf. Wir setzten den Spinnaker, später die ausgebaumte Genua und segelten auf Raumwindkurs Richtung Südinsel.
Mit der Zeit entwickelte sich eine unangenehme Kreuzsee aus Windwelle und großem Schwell aus SW und wir wurden zwanzig Stunden ordentlich durch geschaukelt. Zu dieser Zeit muss die Katastrophe im Maschinenraum ihren Lauf genommen haben, von der wir zu dem Zeitpunkt noch nichts ahnten.
Eine der "Verbesserungen" die im Trockendock an Alita vorgenommen wurden, war nämlich eine Verbindung zwischen der Seewasserpumpe des Motors und der Wellendichtung, die mit frischem Seewasser gekühlt werden sollte.
Die Installation hatte ein in Whangarei ansässiger Mechaniker empfohlen und vorgenommen, während ich mit den Farbarbeiten beschäftigt war. Ich wunderte mich noch über die Stelle, an der er die Verbindung angeschlossen hat und fragte ihn danach. Aber er war sicher und sagte, dass er den Wassserdruck bräuchte, der an dieser Stelle herrscht.
Auf dem Bild sieht man die Installation. Der kleine rote Hahn unten rechts sollte den Druck zur Wellendichtung regeln. Die Wasserpumpe ist links unten zu sehen. Der lange, dicke Schlauch befördert das Wasser nach oben zum Entlüftungsventil und dann hinunter zum Wärmetauscher der Maschine.
Dieses Entlüftungsventil hat die Funktion, dass durch das kartesische Prinzip kein Wasser mehr angesaugt werden kann, wenn der Motor ausgeschaltet wird. Denn dieses Wasser würde in das Auspuffsystem laufen und wenn dieses voll ist, durch den Turbolader in den Zylinderkopf und durch offenstehende Ventile in die Brennkammern.
Und das ist genau das, was in der rauhen See nun mit unserem Motor passierte. Da der Mechaniker die Verbindung auf der falschen Seite des Entlüftungsventils installiert hatte, konnte dieses nicht verhindern, dass mit jeder Welle etwas Wasser durch die Wellendichtung angesaugt wurde, bis der Motor komplett unter Wasser stand.
Wir merkten das aber erst kurz vor der Einfahrt in die Cook Straße, als der Wind nachließ und Michaela den Motor starten wollte. Dieser wollte aber nicht drehen! Schon wieder der Starter kaputt?! Kann ja nicht sein!
Ein Blick auf den Ölmessstab und sofort war klar, dass der Motor so bald nicht mehr laufen würde. Der Füllstand war ungefähr doppelt so hoch wie normal! Also waren etwa 4 Liter Fremdflüssigkeit in den Ölsumpf gelaufen. Zu dem Zeitpunkt war uns noch nicht klar, ob es sich um Diesel oder Wasser handelte. Da der Motor nie gelaufen war zeigte das Öl keine der typischen Farbveränderungen. Egal wie! Klar war, dass der Motor erst nach längeren Reparaturen wieder laufen würde. Reparaturen, die ich nicht unbedingt auf offener See ausführen wollte.
Zum Glück sind wir ja ein Segelboot und können uns auch ohne Motor fortbewegen. Zunächst wollten wir nach Nelson weitersegeln, weil der Hafen dort Liegeplätze für kleine Boote hat, aber der Wind hatte andere Pläne. Er drehte innerhalb einer Stunde von NW auf SO und blies wesentlich stärker als vorhergesagt. So stark, dass wir den Kurs nach Nelson nicht halten konnten.
Gegen 30 Knoten Wind ankreuzen wollten wir lieber nicht, speziell nicht in den Ausläufern der Cookstraße, wo es auch nennenswerte Strömungen gibt. Also drehten wir um und liefen unter raumen Wind zurück Richtung New Plymouth, wo es einen Industriehafen gibt.
Auf den Weg dorthin, zwölf Seemeilen vom Ziel entfernt, in der Landabdeckung des großen Vulkans Taranaki, flaute der Wind so stark ab, dass wir nicht mehr gegen die Strömung aus Nord ansegeln konnten.
Also ließen wir das Dinghy zu Wasser, verzurrten es gegen ein paar Fender am Heck von Alita und begannen mit dem 15PS Außenborder zu schieben. Das ging überraschend gut und so kamen wir zunächst mit über drei Knoten Geschwindigkeit und später, gegen stärker werdende Strömung, noch mit 2,5 Knoten vorwärts.
Nach etwa fünf Seemeilen unter Außenborder kam eine schwache Brise auf und wir kreuzten den Rest des Weges unter Segel gegen den Wind nach New Plymouth, wo wir kurz vor Mitternacht einfuhren und uns dann mit dem Dinghy schiebend und schleppend nach einem Ankerplatz umschauten.
Dummerweise war der gesamte Ankerbereich mit Mooringbojen zugepflastert, also schnappten wir uns nach längerer Suche eine der Moorings. Allerdings konnten wir uns nicht an der Mooringkette vertäuen. Sie ließ sich an der Sorgleine nicht nach oben ziehen. Da die Sorgleine aber ziemlich stabil wirkte und für die weitere Nacht kein Wind zu erwarten war, entschlossen wir uns es für die Nacht dabei zu belassen und uns am nächsten Tag früh morgens um eine bessere Morring zu bemühen. Wind war erst für Mittag vorhergesagt.
Wir verbrachten eine ruhige Nacht und mussten am nächsten Tag feststellen, warum der Hafen nicht für Segelboote geeignet ist: Niemand ist für die Mooringbojen zuständig und bis auf die Pilotboote gibt es keine Fahrzeuge im Hafen, die einem Segelboot assistieren können.
Wir machten die Hafenbehörden darauf aufmerksam, dass wir ohne funktionierenden Motor an einer unsicheren Mooring hängen und gerne das Boot verlegen würden, bevor der Wind stärker wird. Die beiden Moorings PT1 oder PT2, die uns daraufhin angewiesen wurden, waren nicht zu finden. Später wurde auch klar warum. PT1 war schon besetzt und PT2 mit der Zahl 22 beschriftet.
Hilfe konnten wir vor halb zwölf nicht erwarten, da die Piloten erst dann wieder zur Arbeit erscheinen würden. Inzwischen nahm der Wind leicht zu und wir entschlossen uns mit der Dinghymethode, die sich bis dato gut bewährt hatte, eine Mooring weiter zu verlegen.
Leider verlief das Manöver ganz und gar nicht wie geplant. Erst verhakte sich eine unserer Leinen in der Sorgleine der Mooring. Gerade als ich das Dinghy aus der Schiebeposition losgemacht hatte um vorne zu helfen, kam die Leine doch los und als ich dann zurück in der Schiebeposition war, lag Alita bereits quer zum Wind.
Anders als bei den Schiebemanövern zuvor, reichte ein minimal stärker Wind und der beschränkten Manöverierraum aus, dass Alita nicht steuerbar war. Das Dinghy drückte hinten zu stark seitlich und die Geschwindigkeit wurde nicht hoch genug, dass das Ruder dagegen halten konnte.
Hätten wir das Problem kommen sehen, wäre es sehr leicht zu umgehen gewesen. Aber nachdem wir Alita nun zweimal mit den Dinghy erfolgreich bugsiert hatten, trafen uns die Schwierigkeiten völlig unvorbereitet. Dazu kam, dass ich im Dinghy sitzend einen sehr schlechten Gesamtüberblick hatte und so wurde mir erst viel zu spät klar, dass wir schon ziemlich nahe an ein Fischerboot heran getrieben waren. Bei dem letzten Versuch freizukommen, verfing sich dann die Morringleine des Fischers zwischen unseren Rudern.
Gegen den hohen Bug des Fischers war Alita nicht gut abzufendern und da dieser Stelle im Hafen auch etwas Schwell stand, zog sich Alita einige leichte Verletzungen zu, bis wir sie wieder frei bekamen.
Die Mooringkette scheuerte unter Wasser einige Flächen Antifouling ab, ein paar Schäkel verkratzten uns einen guten Quadratmeter der nagelneuen Lackierung an der Bordwand und ein paar Relingstützen wurden durch eine vorstehende Scheuerleiste des Fischers verbogen. Nicht so schlimm eigentlich... aber wenn man gerade frisch lackiert von einem langen Trockendockaufenthalt kommt, dann ist das doch sehr, sehr ärgerlich!!!
Gerade als wir uns mit Hilfe einer langen Leine zur nächsten Mooring freigezogen hatten, kam endlich der Pilot, machte seitlich fest und bugsierte uns zur falsch beschriften Mooring.
Wenige Stunden später, bei inzwischen dreißig Knoten Wind und einer 50 Zentimeter hohen Windwelle im Hafenbecken, verschwand ich im Maschinenraum und etwa 30 Arbeitsstunden später lief der Motor wieder.
Letztlich war der Schaden nicht schlimm und wäre sogar völlig ohne Ersatzteile zu beheben gewesen. Da der Motor nicht mit Wasser im Öl gelaufen war, hatte sich dieses brav am Boden des Ölsumpfs und in einem der Zylinder angesammelt.
Also einfach die Einspritzdüsen ausbauen, Wasser entfernen, alles spülen und mit frischem Öl schmieren. Ich habe zusätzlich noch den Turbo zerlegt, um sicher zu gehen, dass dort kein Wasser eingedrungen ist.
Beim Ausbau der Einspritzdüsen ist mir leider ein Hohlschräubchen der Rücklaufleitung kaputt gegangen und natürlich war dafür in ganz Neuseeland kein Ersatz zu bekommen. Wir mussten letztlich ein Schräubchen anfertigen lassen, was einen ganzen Tag gekostet hat.
Sechzig Stunden nach unserer Ankunft in New Plymouth lief der Motor wieder. Weitere fünf Stunden später liefen wir aus und inzwischen befinden wir uns auf der Südinsel.
Wahrscheinlich habt ihr das alles längst alles im englischsprachigen Blog von Michaela erfahren, aber ich hatte bisher keine Zeit und Muße für den Blog. Morgen fahren wir in die Marina in Nelson, wo wir uns wahrscheinlich für ein paar Tage ins Trockendock legen werden, um die Kratzer zu entfernen und das Antifouling in Ordnung zu bringen.
Ach ja... der Verursacher des ganzen Dilemmas, das kleine Ventil zur Wellendichtung ist nun auf die andere Seite des Entlüftungsventils verlegt. Fünf Minuten Arbeit...