Dienstag, 26. Februar 2013

Ein neues Zuhause

Heute abend haben wir das Ende der Messierstrasse erreicht und sind in den "Golfo de Penas" eingefahren. Damit sind wir zum ersten Mal seit über einem Monat wieder auf "offener" See. Ich habe ich mich selbst dabei ertappt, dass ich ohne ersichtlichen Grund etwas angespannt war. Zwar ist die große Bucht bei Seefahrern berüchtigt, weil hier hohe Wellen aus den "Roaring Forties" auf die Kontinentalplatte treffen und dadurch steiler werden. Der Effekt wird durch eine dumme Strömung noch verstärkt, die einen zu allem Überfluss auch noch Richtung Land drückt - also ein gefährliches Loch, dass selbst bei der Großschifffahrt gefürchtet ist. Aber da es schon seit Tagen kaum Wind hat und auch heute nur ein laues Lüftchen über das Wasser haucht, brauchte ich mir um schwierige Bedingungen keine Sorgen zu machen. Tatsächlich liegt der Golfo de Penas heute Nacht bei absoluter Windstillte ruhig wie ein Ententeich und dazu lacht Vollmond.
Ich glaube inzwischen, dass die Unruhe in mir einfach daran liegt, dass wir nun die geschützten Kanäle verlassen, die uns seit über einen Monat ständig umgeben. Seit Ushuaia haben wir immer Land um uns und alle paar Meter einen schönen Ankerplatz, an dem man selbst bei Sturm ruhig schlafen kann. Ich habe sie liebgewonnen, die verfluchten Kanäle, in denen Segeln praktisch unmöglich ist, weil einem Wind und Strömung ständig entgegen kommen und wenn das tatsächlich einmal nicht der Fall ist, dann ist der Wind so böig und dreht alle paar Meter wild um die komplette Kompassrose, dass man sehr bald Mitleid mit den Winschen, den Segeln und der Mannschaft hat und den Motor doch wieder anwirft.
Es ist schon komisch, wie schnell man sich an Dinge gewöhnt. Bevor wir im Januar in die chilenischen "Binnengewässer" eingefahren sind, waren wir fast ein Jahr ständig auf See und haben uns nichts dabei gedacht. Ein paar Wochen später verursacht eine offene Bucht von 60 Meilen Durchmesser einen Gedankensturm.
Die Kanäle sind in den letzten Wochen unser bezauberndes "Zuhause" geworden. Nicht nur wegen der großartigen Highlights, wie z.B. der "Gletscher Pio XI" vor dem wir gestern mit Alita fast in Ehrfurcht erstarrt wären, dessen Eiskante unseren Mast um mehr als das Doppelte überragt hat. Auch die kleinen Einblicke, die uns hier fast minütlich erfreut haben, wie z.B. windgeglättete Felsen, die vom letzten Regen noch nass, wolkenverhangen in der Sonne glitzern. Diese Schönheit lässt mich die negativen Seiten, das ständige Motoren, dass mir so tierisch auf die Nerven geht, sicher bald verdrängen, weil der glückliche Reisende alles vergisst, was im großen schönen Bild nicht so perfekt war und so von der Entdeckerlust getrieben, ständig die Liste der Dinge erweitert, die er in der Zukunft vermissen wird. Es ist wieder an der Zeit ein schönes Zuhause zu verlassen... und ich freue mich schon sehr auf das Nächste!

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Freitag, 15. Februar 2013

Die Zivilisiation hat uns zurück

Nach zwei Wochen Fahrt durch die atemberaubende Inselwelt der
chilenischen Seite Feuerlands, auf den Spuren der berühmte Beagle und so
großer Namen wie Magellan, Darwin, Drake und Fitzroy sind wir vor drei
Tagen in Puerto Natales eingelaufen – und wir sind immer noch dabei die
Eindrücke der vergangenen Wochen zu verarbeiten.

Jeder unserer Ankerplätze auf dem Weg war einzigartig schön. So schön,
dass man sich an erreichbareren Orten der Welt mit hunderten anderer
Boote um die Plätze streiten müsste. Jeder Kanal den wir befahren haben
war so malerisch, dass man eigentlich überall abbiegen müsste, um einen
Blick in jede Bucht, jeden Seitenarm und hinter jeden Hügel zu werfen -
nur wären wir dann in einigen Leben noch nicht fertig mit dem Staunen.

Bei so viel Schönheit merkt man irgendwann gar nicht mehr, was einem da
vor den Augen vorüberzieht. Jede Biegung eröffnet neue einzigartige
Eindrücke, die praktisch nahtlos ineinander übergehen und man beginnt
diese atemberaubende Natur fast selbstverständlich hin zu nehmen –
zumindest bis man ein paar Stunden Zeit hat darüber nachzudenken, was
einem da eigentlich so alles begegnet ist.

Wir hatten großes Glück auf der ganzen Fahrt. Zum einen war das Wetter
gnädig zu uns und hat uns an den kritischen Stellen nicht tagelang
warten lassen. Bis auf einen Tag ganz zu Anfang, den wir in einer Bucht
ausharren mussten, bis der Sturm über uns hinweggeblasen war, sind wir
überall schnell und problemlos durchgekommen. Auch hatten wir immer
wieder längere Phasen, wo die Sonne die ganze feuerländische Pracht
gebührend ausgeleuchtet hat – was in der regen(bogen)reichsten Gegend
der Welt bei Weitem nicht selbstverständlich ist.

Außerdem hatten wir sehr großes Glück mit unserer Crew. Alita war mit
drei Gästen – und damit insgesamt fünf Besatzungsmitgliedern – voller
denn je. Und das auf einer Strecke, in der man selten das Boot verlässt,
weil es in der dichten Vegetation der unbewohnten Inseln praktisch keine
Möglichkeit mehr als einen Schritt zu gehen, bevor man auf Hindernisse
stößt.

Unser bunter Mix aus Deutschen, Österreichern und Schweizern im Alter
zwischen Ende Zwanzig und Ende Fünfzig hat den Trip aber noch um ein
wesentliches Element bereichert. Selbst wenn das Wetter draußen sich von
seiner schlechtesten Seite zeigte, haben wir uns im warmen Inneren von
Alita prächtig vergnügt. Danke Iris, Alex und Willi – es ist auch euer
Verdienst, dass die zurückliegenden Wochen eine der schönsten Etappen
auf Alitas Reise waren.

Mittwoch, 6. Februar 2013

Der große Süden

So nennt der Chilene den südlichen Teil seines Landes, geprägt von tausenden, grünen Inseln, verbunden durch zahllose einsame Kanäle, gekrönt von majestätischen Bergen und atemberaubenden Gletschern. Eine faszinierend, rauhe Landschaft, die ihrem legendären Reiz mehr als gerecht wird - zumindest dann, wenn die Sonne scheint.
Wir sind nun seit über einer Woche im chilenischen Feuerland unterwegs und haben uns von Puerto Williams, der südlichsten Ansiedlung der Welt (die antarktischen Forschungsstationen nicht eingerechnet), bis in die Caleta Cluedo vorgearbeitet, die mitten im Inselwirrwarr liegt, etwa 150 Kilometer südsüdwestlich von Punta Arenas.
Auf dem Weg haben wir tausende Pinguine und Seevögel gesehen, dutzende von Seelöwen, die hier wie Delfine springend durchs Wasser toben, außerdem einen kleinen Wal und sogar einen großen Condor, der über einer Bergspitze kreiste. Was wir nicht viel gesehen haben, sind Menschen. Über große Strecken bekommt man noch nicht einmal eine klare UKW-Funkverbindung mit den wenigen chilenischen Küstenwachstationen, die hier fernab der Zivilisation nach dem Rechten sehen.
Einmal durften wir mit Alita zwischen treibenden Eisstücken fahren, die in der Nacht davor in einem Sturm vom Gletscher abgebrochen waren. Ein echter Highlight. Natürlich haben wir ein kleines Stück Eis geborgen und aufgetaut. Am Abend gab es dann Tortellini a la Glaciar - in tausend Jahre altem Gletscherwasser gekocht. Lecker!
Alles in Allem gefällt uns die Gegend wirklich gut. Die Kälte ist nicht so schlimm, wie wir das erwartet hatten. Entsprechend gut eingepackt, kann man es draußen den ganzen Tag gut aushalten - und abends in der Bucht wärmt sowieso die vielgeliebte Heizung. Auch der berüchtigte Wind, der hier alle paar Tage sein Unwesen treibt, ist kein großes Problem - entsprechende Planung vorausgesetzt. Dank Sailmail, sind wir auch am Ende der Welt über Grenzwellenfunk und ein Pactormodem bestens mit aktuellen Wetterinfos versorgt. Also ist es kein großes Problem immer dann in einer gut geschützten Bucht zu liegen, wenn es mal wieder pfeift.
Das einzige Problem mit der Gegend ist der häufige Regen. Egal ob Hochdruckgebiet oder Sturmtief, westlich der langen, hohen Bergkette der Anden und Cordilieren, wirft die feuchte pazifische Luft unablässig ihre nasse Last ab - auf gut deutsch gesagt: Es pisst fast andauernd. Und das ist dann auch der Grund, warum diese Gegend, trotz seiner atemberaubenden Schönheit wahrscheinlich nicht unser Lieblingsrevier wird. Was uns aber keinesfalls davon abhalten würde hier noch einmal durchzufahren - nur diesmal mit dem vorherrschenden Winden in die andere Richtung, so dass wir unseren Motor weniger strapazieren müssen.

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